Alle Jahre wieder kommt das Christuskind …
… und die Frage, wo Katja den Heiligabend verbringen wird. Thomas fordert, dass Katja dieses Jahr endlich bei ihm feiern soll. Das sei längst überfällig, meint er, weil alle anderen abwechseln. Nur wir nicht.
Ich weiß gar nicht, ob alle anderen abwechseln, aber wahrscheinlich tun das immer mehr. Vor einigen Jahren, als wir ständig wegen Umgang, angeblicher Umgangsverweigerung und Unterhalt vor Gericht waren, galt noch die Faustregel: An Heiligabend sind die Kinder da, wo sie hauptsächlich wohnen und die beiden Feiertage teilt man sich auf.
Aber der Zeitgeist hat sich geändert, Katja ist größer geworden, und vielleicht wäre es wirklich langsam an der Zeit, dass wir mal tauschen.
Zunächst spricht die ganz simple Tatsache, dass Katja immer noch nicht dort übernachten will, gegen einen Papa-Heiligabend. Das würde meine Planungen deutlich verkomplizieren. Wir feiern nämlich alle bei meiner Mama, weil sie mit ihren 80 Jahren schon recht gebrechlich geworden ist. Das würde bedeuten, dass ich dort relativ früh wieder ungemütlich werden und aufräumen müsste, damit ich auch rechtzeitig zuhause bin.
Aber das ließe sich mit ein bisschen Absprache vermutlich regeln.
Eigentlich sollte es nur darum gehen, was Katja will.
Wer will was?
Thomas schrieb mir eines Sonntags im November, als Katja gerade bei ihm war, eine SMS, dass er sie soeben wegen Heiligabend gefragt habe und sie dieses Jahr bei ihm sein wolle.
Himmel, dachte ich mir, ist ja logisch, dass sie ihn nicht vor den Kopf stoßen möchte, und frage mich gleichzeitig, was sie wohl sagen würde, wenn ich sie fragen würde.
Im Alltag erlebe ich zwar sehr deutlich, dass sie mir gegenüber keinerlei Skrupel hat, ihren Willen kund zu tun. Aber Weihnachten ist offensichtlich eine diffizile Sache, sodass ich mir da nicht hundertprozentig sicher sein kann.
Deswegen sagte ich erst mal nichts, als sie an dem Abend nach Hause kam, sondern ersparte ihr die Last der Entscheidung. Es waren ja noch einige Wochen Zeit.
Die Tage vergingen, eine Schulaufgabe jagte die nächste, sodass wir mit ganz anderen Dingen als Heiligabend beschäftigt waren. Aber als sich eines morgens der Adventskalender bunt und voller kleiner Päckchen von einer Wand zur andern spannte und Weihnachten greifbarer wurde, sagte sie: „Es wäre irgendwie schon gerecht, wenn ich dieses Jahr mal beim Papa wäre, oder? … Pause … Aber ich weiß ja gar nicht, wie lang die Oma noch lebt.“
Der Oma-Aspekt
Seit Katjas heiß geliebter Opa vor fast zwei Jahren quasi in unseren Armen verstorben ist, schiebt sich das Thema Vergänglichkeit immer wieder in ihre Gedanken. Es ist rührend, wie sie es genießt, dass sie ihre Oma noch hat, wie sie ihr liebevoll zur Hand geht und über ihre altersbedingten Merkwürdigkeiten verhalten schmunzelt, anstatt genervt zu sein.
Mit dem Oma-Aspekt gibt Katja meinen Überlegungen eine Wendung. Die Oma ist für Katja sehr wichtig und das Gleiche gilt auch umgekehrt. Überhaupt ist für sie das Enkelkind das Allerwichtigste geworden und obwohl sie im Alltag mittlerweile viel Unterstützung von mir braucht, steckt sie Katja zuliebe oft zurück. Aber Heiligabend ohne Katja wäre für sie nicht mal halb so schön. Thomas dagegen nimmt auf Katjas Bedürfnisse eher keine Rücksicht. Er benimmt sich oftmals so, als könne in ihrem Leben nichts so wichtig sein wie ihr Vater.
Was ist schon gerecht?
Es ist also nicht leicht für die heikle Heiligabend-Frage eine gute Lösung zu finden.
Katja möchte es allen recht machen, so viel ist klar. Deswegen soll sie es auch nicht entscheiden müssen, sonst wäre sie dem anderen gegenüber im Erklärungsnotstand – wenn nicht in der Realität, so in jedem Fall vom Gefühl her.
Also muss ich das tun.
Unter Abwägung aller Seiten treffe ich eine dem aktuellen Zeitgeist widersprechende Entscheidung: Katja wird auch dieses Jahr wieder mit mir und meiner Familie den 24. Dezember verbringen.
Wenn es nur um die Gerechtigkeit zwischen Thomas und mir ginge, wäre ganz klar er dran.
Aber da sind auch noch die Oma und natürlich Katja und deswegen hat für mich die Eltern-Ausgewogenheit nur eine untergeordnete Rolle gespielt.
Denn wenn man es genau betrachtet, sind Thomas und ich ohnehin meilenweit von einer auch nur ansatzweisen Gerechtigkeit entfernt. Mit mir hat sie gehen, sprechen und Rad fahren gelernt. Mir erzählt sie die Höhen und Tiefen, ich bringe sie jeden Tag ins Bett, darf vor ich schlafen gehe auf ein friedlich schlummerndes Kind schauen und morgens ihre weiche Backe beim Wecken spüren.
Das alles kann man nicht mit einem Heiligabend wettmachen.
Richtig oder falsch?
Ich habe keine Ahnung, ob diese Entscheidung richtig oder falsch ist. Vielleicht bin ich der letzte Dinosaurier, der nicht auf Elterngerechtigkeit achtet. Aber zumindest habe ich mir ausgiebig Gedanken gemacht, und wenn Katja später einmal finden sollte, es war ungerecht, dass sie in den ersten Jahren immer bei mir sein „musste“, werde ich ihr sagen, dass ich viel darüber nachgedacht und es mir nicht leicht gemacht habe.
Außerdem kommen noch viele Weihnachtsfeste, die anders verbracht werden können.
Mir persönlich geht es sowieso nicht um den Heiligabend an sich. Mir sind die 364 Tage dazwischen viel wichtiger.
Ich wünsche euch allen ein wunderschönes Weihnachtsfest, wie auch immer und vor allem mit wem ihr es verbringen mögt.
Eure Carola
Liebe Carola,
du sprichst mir aus dem Herzen!!!
Ich wünsche euch ein schönes und besinnliches Weihnachtsfest!!!
Liebe Grüße
Jana
Ebenso, liebe Jana! <3