Das Briefkasten-Trauma
Waren Sie wieder übers Wochenende verreist, Frau Fuchs?“, fragte mich kürzlich eine Nachbarin, als ich am Montagnachmittag meinen überfüllten Briefkasten leerte.
Nein, war ich nicht, schon ewig nicht mehr.
Es ist auch nicht so, dass mir wahnsinnig viele Leute schreiben würden, ich viele Rechnungen bekommen, oder der Werbeausträger alle übrig gebliebenen Prospekte in meinen Briefkasten stopfen würde.
Nein, mein Briefkasten quillt nur deshalb am Montagnachmittag über, weil ich ihn seit Mittwoch nicht mehr geleert habe – wie übrigens jede Woche, und das seit sieben Jahren.
90 Stunden – eine lange Zeit
Es war nämlich meist ein Donnerstag oder ein Freitag, an dem ich einen der gelblich-braunen DIN A4 Umschläge mit offiziellem Stempel vom Münchner Amtsgericht aus dem Briefkasten gezogen habe und dann aber wegen dem bevorstehenden Wochenende weder Jugendamt noch Anwältin erreichen konnte, um den absurden Inhalt zu besprechen.
Mal stellte Thomas, Katjas Vater, den Antrag auf hälftigen Umgang in den Ferien, obwohl Katja nicht mal eine Nacht bei ihm bleiben wollte und oft stundenlang weinte, bis er sie schließlich mitten in der Nacht nach Hause fuhr. Dann kam die einstweilige, richterliche Anordnung ins Haus geflattert, die obigem Antrag ohne Anhörung und ultrakurzfristig stattgab. Wieder ein andermal war ein Antrag auf Ordnungsgeld wegen Umgangsverweigerung in dem Umschlag, weil sich Katja der Umgangsregelungen, die vollkommen an ihren Bedürfnissen vorbeigingen, vehement widersetze.
Von Donnerstagabend bis Montagvormittag ist eine lange Zeit. Es sind über 90 Stunden, davon 24, die ich eigentlich schlafend verbringen sollte und dann aber kein Auge zutun konnte, weil sich meine Gedanken unaufhörlich zwischen Worst-Case-Szenarien und der Hoffnung auf gesunden Menschenverstand bei Gericht aufhängten. Ich fragte mich, wieso der Antrag von Thomas auf eine Woche Ferienumgang mit Katja nicht von vorneherein abgelehnt wurde. Immerhin lagen dem Gericht Hintergrundinformationen der Umgangssituation und eidesstattliche Erklärungen von Nachbarn vor, die ein lebhaftes Bild seiner aggressiven Grundhaltung sowie Katjas Widerstreben zeichneten. Hat das überhaupt jemand gelesen?
Immer wieder fragte ich mich das und zermarterte mir den Kopf, was ich tun oder sagen müsste, um wieder Vernunft in die Angelegenheit zu bekommen.
Traumatisiert? Ich doch nicht!
Auf die Idee, dass es sich dabei um eine Art traumatische Erfahrung handeln könnte, bin ich bisher nicht gekommen. Das hängt wahrscheinlich mit meinem Anspruch an mich zusammen, auch schwierige Situationen zu meistern und das Beste daraus zu machen. Ich bin fest entschlossen, mich nicht unterkriegen zu lassen und tapfer dem Gegenwind zu trotzen.
Vor allem aber will ich Katjas Kindheit und mein Leben nicht von Richtern verderben lassen, die keine Ahnung von Kinderseelen haben!
Als ich jedoch Alexander Korritko, einem Traumaexperten, bei seinem Vortrag „Umgang um jeden Preis“ lauschte, kam mir plötzlich mein schwieriges Verhältnis zu meinem Briefkasten in den Sinn. Denn Herr Korritko erzählte von kleinen, vollkommen neutralen Dingen, die triggern können, also das erlebte Trauma wieder heraufbeschwören und wiedererleben lassen.
In dem Moment spürte ich das flaue Gefühl in der Magengrube, das ich bei jedem Gang zum Briefkasten habe, aber im Alltag schlichtweg verdränge und mir wurde bewusst, dass ich das Haus ausschließlich durch die Tiefgarage betrete und verlasse.
Ist das so, weil ich dann nicht am Briefkasten vorbeigehen muss?
Und dann sind da noch diese Briefe …
Und wie bei einer Lawine, die ins Rutschen gekommen war, rückte Herrn Korritkos Stimme immer mehr in den Hintergrund, während sich in meinem Kopf die Gedanken überschlugen. Mir wurde klar, was mich noch mehr triggert und in die Gefühlswelt von damals katapultiert. Es sind vor allem die Briefe von Frauen, die meine Geschichte gelesen haben und sich ratsuchend an mich, als vermeintliche Expertin, richten:
„Liebe Frau Fuchs“, lese ich zum Beispiel, „ich brauche dringend Ihre Hilfe. Es geht um eine zerstörerische familienrechtliche Entscheidung, die der dem gewalttätigen Kindsvater und ehemaligen Partner die Kinder zugesprochen wurde …“ Weiter komme ich oft gar nicht, schon macht sich Ohnmacht, tiefe Verzweiflung und Angst, in meinem ganzen Körper breit und mir wird speiübel.
Was soll ich diesen Frauen bloß sagen? Ich weiß ja auch nicht, was in das familienrechtliche System gefahren ist!
- Warum geht es nur noch um die gerechte Aufteilung der Kinder unter den Erwachsenen und nicht mehr darum, was Kinder für eine gesunde Entwicklung brauchen?
- Warum schalten viele Berater und Richter ihren gesunden Menschenverstand ab?
- Wieso weiß plötzlich niemand mehr, dass Kinder Bezugspersonen brauchen und eine genetische Verwandtschaft noch lange nicht ausreicht, um eine Bindung zu den eigenen Kindern zu haben, geschweige denn ihnen Vertrauen und Geborgenheit vermitteln zu können?
- Wie um alles in der Welt kann man nur auf die Idee kommen, dass Kindern Kontakt zu einem gewalttätigen Elternteil gut tun könnte und sich auch noch trauen, dies den Gewaltopfern gegenüber auszusprechen?
Auf all diese Fragen weiß ich auch keine Antwort und sie machen mich genauso hilflos.
Was ich tun kann
Eine engagierte Anwältin, die meine Geschichte gelesen hatte, schrieb mir kürzlich:
„Schön, dass es Ihnen gelungen ist, mit Ihrem Buch den Finger in die Wunde zu legen. Obschon man eben nicht übersehen darf, wieviel Leid hinter Ihren Worten verborgen ist. Das Buch sollte zur Pflichtlektüre all derer werden, die über Familien und Kinder richten und Situationen bewerten, mit denen sie sich nicht einmal ansatzweise befasst haben.
Wir sollten nicht müde werden, immer wieder auf diese Missstände hinzuweisen und insbesondere eine bessere Ausbildung für Mitarbeiter der Jugendämter und vor allem auch für Familienrichter zu fordern.“
Mit meinem Buch “Mama zwischen Sorge und Recht” und mit dieser Website mache ich genau das. Ich versuche immer wieder die Schieflage in Worte zu fassen.
Auch wenn ich den einzelnen Betroffenen keine Lösung für ihre schlimme Geschichte bieten kann, so hoffe ich doch, den öffentlichen Diskurs immer wieder anzufachen.
Das ist momentan das Einzige, was ich tun kann.
Carola Fuchs
Ich habe jeden Tag Angst vor diesen gelblich-braunen Briefen, von JA und Amtsgericht Freising, die meinem kleinen Sohn einem Gewalttäter zuführen sollen, obwohl schon jahrelang alle Helferlein alles versucht haben.
Schuld ist natürlich wie immer die Mutter.
Ich weiß von x “normalen” Kindern, die nach den Auswirkungen von Verhandlungen bei derselbigen Richterin im Norden Münchens von Kinderpsychologen betreut werden mussten.
Um das Kindeswohl geht es hier nicht.
Meiner Meinung nach wird durch das familienrechtliche System das Kindeswohl mit Füßen getreten.
Das Problem sind wirklich die Verfahrensbeteiligten, die keine Ahnung von Psychologie haben.
Sie gehen denjenigen auf den Leim, die am besten täuschen und blenden können, also den Psychopathen.
Diejenigen, die Schutz und Hilfe bräuchten, sind die Opfer, also die Kinder.
Warum kann jemand, der vorher im Verkehrsrecht war, ohne psychologische Zusatzausbildung Richter am Familiengericht werden?
Wieso gibt es im Jugandamt keine speziell ausgebildeten Mitarbeiter, die sich um die hochstrittigen Fälle kümmern, bei denen oft Gewalt mit ihm Spiel ist?
Wieso ist es erlaubt, dass Verfahrensbeistände und Umgangspfleger von Interessenverbändern ausgebildet werden?
Wieso interessiert es niemanden, wie es den Kindern geht?
Wir bauchen Richter, die sich mit Kinderseelen auskennen!