Quantität statt Qualität
Lateinvokabeln haben es wirklich in sich. Für manche braucht Katja komplizierte Eselsbrücken, aber andere merkt sie sich gleich beim ersten Mal.
Zum Beispiel lag es für sie klar auf der Hand, dass fatigare ermüden heißen MUSS:
„Weißt du Mama, fatigare klingt wie Vati. Und als ich noch kleiner war, wollte ich immer spielen und er war immer müde.”, erklärte sie mir.
Darüber musste ich innerlich ein bisschen schmunzeln, aber in Wirklichkeit ist es gar nicht sooo lustig.
Denn diese Eselsbrücke zeichnet anscheinend ein repräsentatives Bild der Papa-Wochenenden. Entweder er war müde oder er machte irgendwelche Erwachsenen-Dinge, wie im Café sitzen, Autos angucken oder mit den Bekannten quatschen, die er auf dem Weg traf. Ich hatte den Eindruck, Katja würde wie ein Anhängsel nebendran mitlaufen.
So richtig Spaß hat Katja an den Papa-Wochenenden erst, seit Siegrid mit Lotti, der Hundedame, eingezogen ist. Mit Lotti kann Katja stundenlang rumtollen und ihr Kunststücke beibringen.
Aber wenn Siegrid am Wochenende samt Lotti anderweitig unterwegs und Thomas mit Katja alleine ist, dann scheint es ihm schwer zu fallen, die Zeit ein bisschen kindgerechter zu gestalten.
Lass das Kino sausen!
Ich hab mich lange Zeit darüber gewundert, warum er sich wie ein Ertrinkender an jede einzelne Minute klammert, die Katja bei ihm ist, obwohl er dann doch nichts Rechtes anzufangen weiß. Aber wahrscheinlich ist es so, wenn man Qualität nicht hinbekommt, bleibt einem nur Quantität.
Das ist für Katja doppelt blöd, weil jeglicher Special-Event mit ihren FreundInnen, der auf ein Papa-Wochenende fällt, zu anstrengenden Diskussionen mit ihm führt.
Sei es eine Geburtstagsparty oder wie kürzlich die Einladung zu einer Kinopremiere, die etwas ganz Besonderes war, weil ihre Freundin nur ein Kind mitbringen durfte und diese sich für Katja entschieden hatte. Daher musste sie in den sauren Apfel beißen und ihren Vater um Erlaubnis fragen.
„Hallo Papi, könntest du mich am Sonntag um 14:30 Uhr in den Mathäser Filmpalast bringen? Da bin ich zu einer Premiere eingeladen!“, schrieb sie ihm per Whatsapp, weil ihr ein Telefonat anscheinend zu heikel war.
„Tja Katja, das alte Spiel. Papa – Wochenende wäre ein Grund, das Kino sausen zu lassen. Das ist nicht „absolut wichtig“. Es sind nur 4 Tage im Monat, die du hier bist.
Aber das kommt bestimmt von deiner Mutter. Vielleicht erkennst Du mehr und mehr, dass Du absolut nicht das zu tun hast, was sie dir vorgibt. Denn die versucht seit 12 Jahren immer und immer wieder Dir was anderes vorzugeben nur damit Du nicht zu uns kommen kannst. Für mich ist das weiterhin übelste Manipulation.
Es ist schade. Ich bin es leid, dieses Spiel immer und immer wieder vor der Nase zu haben. Entweder gibt es „Papa-Wochenenden“ oder nicht. Und deine Mutter ist da sehr geschickt und manipulativ und setzt Dir immer wieder eine Alternative vor die Nase, so dass Du in Entscheidungsnot gerätst. Ich finde das einfach ein Armutszeugnis. Sorry, aber ich hab keinen Bock mehr immer und zu allem Ja und Amen zu sagen.
Mach wie du meinst. Und du weist: egal was ist, ICH LIEBE DICH.
Papa“
Mann, Mann, Mann! Ich kenn ja seine Ergüsse zur Genüge, aber ich hatte ihn schon tausend Mal gebeten, Katja damit zu verschonen.
Die kratze sich jedoch nur am Kopf und meinte etwas ratlos: „Wie kommt er denn jetzt auf dich?“, und schrieb umgehend an ihre Freundin, dass sie mit von der Partie sei und was sie denn anziehen solle.
Die Welt kann untergehen, das Kind geht zum Papa!
Anscheinend schickte er einen ähnlichen Wortschwall auch ans Jugendamt. Unsere Sachbearbeiterin hatte gerade gewechselt und Frau Kazar, die Neue, „lud“ mich daraufhin mit der dringenden Bitte, über die Umgangsausfälle zu sprechen, zu sich ins Amt.
„Die Papa-Wochenenden sind fix.“, stellte sie unmittelbar nach einer freundlichen Begrüßung fest. „Da kann die Welt untergehen, das Kind geht zum Papa. Und es ist wichtig, Frau Fuchs, dass Sie das Katja gegenüber vertreten. Sie muss spüren, dass sie sich in dieser Frage einig sind.“
Trotz meines guten Vorsatzes, einen guten Eindruck bei ihr zu machen, musste ich über diese Bemerkung einmal kurz laut auflachen.
„Genau hier liegt ja das Problem, wir sind uns in keiner Frage, die Katja anbelangt einig! Und ehrlich gesagt verstehe ich sein ewiges Lamento nicht!“, sprudelte es aus mir heraus. „Die Umgänge liefen noch nie so umfangreich und regelmäßig wie zurzeit. Die wenigen Ausnahmen pro Jahr kann man wirklich an einer Hand abzählen.“
„Herr Buchholz ist da aber anderer Ansicht. Er hat sich beschwert, dass Sie jedes Mal einen anderen Grund vorschieben, warum Katja nicht zum Vater kann.“, meinte sie etwas irritiert.
Was gehen mich die Freunde meiner Tochter an?
Was sich für mich also wie „alle heiligen Zeiten“ anfühlt, scheint für Thomas unerträglich oft zu sein. Rein statistisch gesehen, hat er nicht mal unrecht. Schließlich wären 4-5 Ausfälle pro Jahr bei 26 Umgangswochenenden 15 bis 19 Prozent. Das ist eine ganze Menge und ich könnte verstehen, dass er nicht auf so viele Wochenenden verzichten möchte. Das würde ich an seiner Stelle ganz bestimmt auch nicht wollen.
„Katja war seit über einem Jahr genau an einem einzigen Wochenende mit Fieber im Bett gelegen und musste das Papa-Wochenende ganz absagen. Ansonsten ist sie alle vierzehn Tage bei ihm. Sehr selten kommt es zu einer unglücklichen Verquickung von Ereignissen, und sie ist gleichzeitig bei einer Freundin zum Geburtstag eingeladen. Aber die dauern ja nicht das ganze Wochenende, sondern nur ungefähr drei Stunden, die dann am Anfang oder am Ende abgeknapst sind, sodass sich die Papa-Kind-Zeit auf 30 anstatt 33 Stunden belaufen würde.
Ich finde, wenn er Katja dort hinbringen und abholen würde, wäre das eine prima Gelegenheit für ihn, einen kleinen Einblick in Katjas Alltag zu bekommen, ihr Freunde und deren Eltern kennenzulernen. Er weiß ja sonst gar nicht, von wem sie erzählt und mit wem sie gerade gut befreundet ist.“
Das schien auch für Frau Kazar Sinn zu machen.
„Ja, das stimmt eigentlich, das könnte er machen“, murmelte sie mehr zu sich selbst, und ich dachte schon, ich sei bei ihr in guten Händen.
“Aber das kann man von ihm natürlich nicht verlangen”, meinte sie dann wieder lauter und an mich gewendet, sodass sich mein gutes Gefühl gleich wieder in Luft auflöste.
“Ja, natürlich nicht. Das Interesse an den Menschen, die im Leben des eigenen Kindes gerade eine wichtige Rolle spielen, kann man nicht erzwingen!”
Diese Bemerkung konnte ich mir trotz der Gefahr, es mir mit ihr dadadurch zu verscherzen, nicht verkneifen.
Vatertag
Für Kinder gilt also: Die Welt kann untergehn, aber ich muss zum Papa. Umgekehrt gilt das aber keineswegs. Ein Vater darf so viele Umgänge absagen oder von vorneherein verweigern, wie er will.
Er hat keinerlei Verpflichtung, mit seinem Kind regelmäßigen und verlässlichen Kontakt zu pflegen.
Wenn er keine Zeit hat, weil er beispielsweise auf La Gomera mit den Engeln sprechen muss, oder einfach – wie früher, also Katja noch nicht übernachtete – keine Lust hatte, sein Kind am Sonntag nochmal abzuholen, kräht kein Hahn danach.
Das gilt sogar am Vatertag, den Thomas auch dieses Jahr ganz traditionell mit Kumpels verbringt.
Katjas Statement dazu lautete: „Weißt du Mama, ich mach mir Mordsgedanken, was ich ihm Schönes zum Vatertag schenken könnte und er macht lieber was mit seinen Spezis. Jetzt mag ich aber auch nicht mehr!“
Carola Fuchs
Besonders bei kleinen Kinder ist das “Recht” auf Kontakt zu beiden Eltern mehr eine Pflicht, wenn sie sich mit Händen und Füßen wehren.
Und ehe man sich versieht, ist man eine “Mama zwischen Sorge und Recht”.