Sehr geehrte “PolitikerIn”,
wegen des Mordes an den beiden Kindern durch ihren Vater am Sonntag den 27.09.2015 bei Dresden, wende ich mich im Auftrag der Mütterinitiative an Sie.
Als selbst betroffene Mutter und Autorin von „Mama zwischen Sorge und Recht“, verstehe ich nicht, warum 2 Kinder, die an den Baum gefahren werden, nur eine kleine Erwähnung in den großen Zeitungen wert sind. Und ich verstehe auch nicht, warum nur der Vater als Täter im Gespräch ist, während die ganze Geschichte und ihre Hintergründe wenig interessieren.
Im Vergleich dazu wurde bei dem Germanwings-Absturz nicht vorwiegend der Copilot als Schuldiger bezeichnet, sondern die Verantwortung der Fluggesellschaft wurde bis ins Detail geprüft. Dabei spielte die Präsenz der Thematik in den Medien eine ausschlaggebende Rolle.
Es kann doch nicht daran liegen, dass 2 Kinder nur 1,33% von 150 Menschenleben sind. Oder?
Die Verantwortung für die Tat liegt nämlich nicht nur beim Vater. Der Mutter wurde vom Familiengericht nicht geglaubt, dass der Mann gewalttätig ist bzw. die Gewalthandlungen gegen die Mutter wurden nicht als Grund für Umgangsausschluss mit den Kindern akzeptiert.1
Dabei weiß man aus vielen Fällen dieser Art, dass die Väter nicht primär ihre Kinder umbringen wollen. Nein, die Motivation für die grausame Tat ist, dass sie auf diese Weise der Mutter maximalen Schmerz zufügen können. Mit der großzügigen Unterstützung des Familiengerichts und anhängenden Behörden gelingt das auch.
Denn indem sie den Müttern keinen Glauben schenken bzw. deren Befürchtungen nicht sachgemäß prüfen, verstoßen sie gegen die Maßgaben des BMFSFJ, welches in ihrer Broschüre2 auf S. 20 explizit darauf hinweist: „In Fällen häuslicher Gewalt ist sorgfältig der Ausschluss des Umgangsrechts zu prüfen. Er kann wegen Gefährdung des von Gewalt betroffenen Elternteils und/oder Gefährdung des Kindes geboten sein (s. o. 4.). Nach einer Studie des BMFSFJ sind Frauen im Kontext von Trennung und Scheidung besonders bei der Realisierung des Umgangsrechts gefährdet: 10 % aller befragten Frauen, die sich aus Beziehungen mit gemeinsamen Kindern gelöst haben, gaben Probleme an, die sich auf Gewaltdrohungen, körperliche Gewalt, Entführung und angedrohte oder versuchte Ermordung der Frau oder ihrer Kinder bezogen.“
Daher ist es unbedingt erforderlich zu prüfen, in wie fern die involvierten Behörden durch fahrlässiges Handeln eine Mitschuld an diesem Verbrechen haben und zur Verantwortung gezogen werden müssen. Auch die Frage, ob zusätzliche Schulungen für Mitarbeiter in diesem Bereich nötig sind, damit sie in der Lage sind, bestehende Gesetze auch anzuwenden und umzusetzen.
Ich richte mich mit der dringenden Bitte an Sie, alle in Ihrer Befugnis stehenden Möglichkeiten zu ergreifen und für die Aufklärung der Mitschuld der beteiligten Behörden und deren Mitarbeitern zu sorgen.
Nur so ist gewährleistet, dass künftig Gewaltandrohungen im Zusammenhang mit Umgangsregelungen verantwortungsvoller behandelt werden und nur so können in Zukunft ähnliche Morde verhindert werden.
Beste Grüße,
Carola Fuchs
1 Hier gilt der Kontext häusliche Gewalt:
„Die Angst der Frauen und Kinder ist nicht nur im Hinblick auf den angedrohten Mord berechtigt. Viele Männer versuchen, über die Kinder die Kontrolle über die Frau aufrecht zu erhalten. Der Vater, der sich bisher kaum um die Familie gekümmert hat, kämpft um Umgangs- und Sorgerecht. Zum Teil versuchen Väter über das Gericht, den Umgang gegen den Widerstand des Kindes und die Ängste der Mutter unter Androhung von Zwangsgeld und Zwangshaft gegen die Mutter durchzusetzen. Nach der Studie von Hagemann-White et al. (1981) wird die Hälfte der Frauen, die sich vom Partner getrennt haben, weiterhin, zum Beispiel bei Besuchskontakten zwischen Vater und Kind, angegriffen und misshandelt. In einer Untersuchung von Hester & Pearson (1996, zit. in Kavemann 2000) waren es 70% der Frauen, die während der Übergabe der Kinder oder während der Besuche vom Mann erneut misshandelt und/oder bedroht wurden. Dies galt auch, wenn die Trennung mehr als ein Jahr zurücklag. Darüber hinaus wurden 58% der Kinder während dieser Kontakte misshandelt. Die anhaltende Bedrohung belegen auch die Erfahrungen, die bei Polizeieinsätzen gemacht werden. Im Rahmen von HAIP (Hannoversches Interventionsprojekt gegen Männergewalt in der Familie) ergaben sich für 1999 folgende Daten: Bei 55,5% (636) der Einsätze zu häuslicher Gewalt lebte das Paar in häuslicher Gemeinschaft, bei 44,5% (510) lebten Täter und Opfer getrennt oder waren geschieden (Krüger, 2000).“
Quelle: Susanne Heynen, Häusliche Gewalt: direkte und indirekte Auswirkungen auf die Kinder – Stand November 2003
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