Papa. Unser größter Wunsch. Papa!
Auch wenn die „Guten alten Zeiten“, in vielen Punkten sehr viel schlechter waren als es die heutige Zeit sein kann, sehne ich mich manchmal danach zurück, wo die Zeitungen von gestern noch im Altpapier landeten und man Fernsehsendungen einfach verpassen konnte.
Aber heute geistert ja alles, und sei es noch so fragwürdig, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf diversen Surfern und in Mediatheken herum. Deswegen blieb mir der WISO-Bericht „Umgangsrecht der Väter“ vom 6. Februar nicht erspart.
Für Kinder das Wichtigste
Der Moderator berichtete gerührt, dass ein Junge, dessen Mutter alleinerziehend ist und sich daher keine Modelleisenbahn leisten kann, diese von einem Zuschauer geschenkt bekam. Sichtlich bedrückt fügt er dann aber hinzu, dass sich der Junge darüber bestimmt freuen wird, ihm aber niemand seinen größten Wunsch erfüllen kann. Sogleich wurde eine kurze Szene eingespielt, in der man den Kleinen mit zwei weiteren Kindern auf einem Bett sitzen und in die Kamera seufzen sah: „Papa, unser größter Wunsch. Papa!“
Geht das nicht unter die Haut? Mit diesem herzzerreißenden Statement wird dem Zuschauer suggeriert, dass es im Leben eines Kindes nichts Wichtigeres gibt als den Vater.
Ohne etwas Genaues über die Hintergründe zu erfahren, warum genau diese Kinder ihren Papa nicht sehen oder zumindest nicht so, wie sie es sich wünschen würden, stellte der Moderator fest: „Die Geschichte ist hart und in Deutschland leider keine Ausnahme. Viele Väter würde gerne alles tun für ihre Kinder, dürfen aber nicht, weil sie ihre Kinder gar nicht oder nur selten sehen dürfen.“
Wer boykottiert?
Im Fortgang des Berichts erfahren wir auch, wer daran schuld ist: Natürlich, es ist der andere Elternteil, nämlich die Mutter. Eigentlich, so heißt es, sind seit 2013 die Rechte der leiblichen Väter, die ernsthaftes Interesse am Umgang mit ihren Kindern haben, durch ein Gesetz gestärkt. Aber Gesetze haben auch ihre Grenzen, nämlich dann, wenn ein Elternteil Umgangsregelungen systematisch boykottiert. „Der Elternteil, der ein Umgangsrecht mit Gewalt verhindern will, der schafft das auch in sehr sehr vielen Fällen“ bestätigt eine Richterin in die laufende Kamera.
Da fehlt doch was!
Ziemlich fassungslos sitze ich vor meinem Computer und lasse den Bericht noch einmal laufen, um sicherzugehen, dass ich auch nichts verpasst habe.
Ich warte vergeblich auf die Stelle, wo erwähnt wird, dass das Gesetz leider auch die Rechte derjenigen Väter gestärkt hat, die kein ernsthaftes Interesse am Umgang mit ihren Kindern haben, sondern über diese Hintertür lediglich weiterhin Macht über Frau und Kinder ausüben möchten.
Wieso wird in diesem Bericht überhaupt nicht hinterfragt, ob die Umgangseinschränkung vielleicht zurecht erfolgt ist?
Jede dritte bis vierte Frau in Deutschland erfährt von ihrem Partner oder Ex-Partner Gewalt. Versteht es sich nicht von selbst, dass diese Frauen und ihre Kinder nach einer Trennung erst einmal zur Ruhe kommen müssen und an Umgang zunächst gar nicht zu denken ist?
Umgangsrecht sticht Gewaltschutz – wider jede Vernunft
Es wird auch mit keinem Wort erwähnt, dass eben diese Mütter, die ihre Kinder vor übergriffigen Vätern schützen wollen, keine Unterstützung erfahren. Im Gegenteil, im Laufe der Umgangsverfahren wird ihnen von Seiten des Jugendamts und des Gerichts nicht selten unterstellt, sie würden das alles nur erfinden, um den Ex-Mann schlecht zu machen. Das könne man im Zuge des Rosenkrieges zwar verstehen, aber damit schaden sie den Kindern und wenn sie das künftig nicht unterlassen würden, dass müssen sie eben damit rechnen, dass sie das Sorgerecht verlieren würden. Ehe sie sich versehen, werden sie durch dieses Victimblaming zu Tätern gemacht. In einem Fall, der dem ZDF auch bekannt ist, verlor Pia K. das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre kleine Tochter, sodass das Mädchen seither bei ihrem Vater wohnt. Dass dieser aber unter anderem ein aktenkundiges Drogenproblem hatte, spielte bei der Entscheidung keine Rolle.
Hauptsache der Kontakt zum Vater ist uneingeschränkt gewährleistet, und zwar ganz egal, wie er sich bisher verhalten hat.
Ich wage zu bezweifeln, dass der größte Wunsch des Mädchens “Papa” lautet.
Dieser bedingungs- und kritiklose Vater-Hype, den die Medien schüren, trägt also schon Früchte.
Das WISO-Märchen von dem Vater als dem Allerwichtigsten im Leben eines Kindes ist nämlich nicht der einzig einseitige Bericht. Der Spiegel stellte die rhetorische Frage „Sind Väter die besseren Mütter?“, Die Welt fand, dass die bloße Bezeichnung „Alleinerziehend“ Männer diskriminieren würde und gab dem Pseudonym Michael Müller ein breites Forum für seine Feststellung „Ich bin der Zahlvater – und es kotzt mich an”. Ein ganzer Film bedauerte die „Entsorgten Väter“ und der WDR rief die Väter gar zu den neuen Helden aus, nur weil sie mit den Kindern frühstücken und sie in die Kita bringen.
Elvis ist tot
Ich gehöre ja nicht zu den Anhängern von irgendwelchen Verschwörungstheorien. Ich bin mir sicher, dass Elvis wirklich tot ist und dass die Amerikaner als Erstes auf dem Mond landeten.
Deshalb glaube ich auch in diesem Fall nicht an eine von Geheimbünden gesteuerte Unterwanderung der eigentlich als unabhängig und unparteiisch geltenden Medien.
Aber natürlich gibt es, wie überall, ein paar schwarze Schafe, die ihre beruflich Machtposition innehaben und diese ausnutzen, um persönliche Interessen zu verfolgen.
Und es sitzen wesentlich mehr Männer auf Stühlen, von denen aus entschieden wird, was wir morgen in der Zeitung lesen beziehungsweise was im Fernsehen läuft. Wenn sie nicht selbst da sitzen, dann haben sie jemand Bekannten, der das tut.
Frauen mit Kindern bekleiden dagegen wesentlich seltener derart einflussreiche Positionen, weil sie trotz der „Neuen Väter“ immer noch 90% der Erziehungsarbeit und Betreuungsarbeit leisten. Das geht wegen der politischen Versäumnisse in Sachen Vereinbarkeit auf Kosten ihrer Karriere. Denn auch ihr Tag hat nur 24 Stunden, sodass sie – trotz guter Ausbildung – öfter an der Kasse als auf einem Stuhl in einer Redaktion sitzen.
Diplomatische Immunität
Diese Schwarz-Weiß-Darstellung von Vätern und Müttern bleibt wie gesagt nicht ohne Folgen. Sie schleicht sich in die grauen Zellen der Menschen, vor allem der JugendamtsmitarbeiterInnen und RichterInnen, und bekommt mit jedem Mal mehr den Geruch von Wahrheit. Mit der Zeit sind Väter keine ganz normalen Menschen mehr – die einen treusorgend und empathisch, die anderen eher fiese Gesellen. Nein, sie gelten irgendwann pauschal als vollkommen makellos und das Wichtigste überhaupt im Leben ihrer Kinder. Und damit haben sie quasi diplomatische Immunität erlangt. Kommt es zu Umgangsstreitigkeiten, so ist es schlichtweg nicht mehr denkbar, diese a priori heiliggesprochenen Väter auch nur ansatzweise zu hinterfragen. Ihre Integrität ist unantastbar.
Und wenn dann das eintritt, was eigentlich nicht sein darf, nämlich dass ein Kind seinen Vater gar nicht sehen will, obwohl der doch so wichtig ist, dann ist es viel naheliegender der Mutter zu unterstellen, sie würde die Kinder manipulieren, anstatt in Erwägung zu ziehen, dass der Vater vielleicht selbst für die Abneigung seiner Kinder verantwortlich sein könnte.
Soziale Netzwerke als Sprachrohr
Was kann man tun, um diese Schieflage wieder geradezurücken?
Wie kommen wir wieder weg von Pauschalurteilen, hin zur Einzelfallbetrachtung?
Die Antwort ist so einfach wie effektiv:
Diese und andere Fehlentwicklungen sind für Nicht-Betroffene nicht sichtbar, also müssen wir betroffene Frauen ein Gegengewicht setzen und uns mehr daran beteiligen, das gesellschaftliche Gedankengut mit unseren Erfahrungen zu bereichern.
Und wir müssen uns mehr vernetzen. Dann kommt auch was in Bewegung.
Es spielt nämlich keine Rolle, ob wir irgendwie Karriere gemacht haben, oder nicht. Über die sozialen Netzwerke haben wir ein perfektes Sprachrohr, um unparteiische Redakteure auf die brisante Schieflage aufmerksam zu machen.
Die Liste der Best-Practice-Beispiele von Frauen, die sich Gehör verschafft haben, ist lang und vielversprechend.
Christine Finke hat z.B. mit ihrem Blog mama-arbeitet mittlerweile viel Staub aufgewirbelt und konnte u.a. in Frau-TV, im heute-journal, in diversen Tageszeitungen und auch mit ihrem Buch “Allein, alleiner, alleinerziehend” auf die gesellschaftliche Benachteiligung von Alleinerziehenden und der nicht vorhandenen Vereinbarkeit eine breite Öffentlichkeit erreichen. Am 21. März 2017 liest sie in Berlin aus ihrem Buch und hält anschließend einen Plausch mit Manuela Schwesig.
Lust auf mehr mutige Frauen?
Klickt euch ruhig mal durch. Die Reihenfolge ist zufällig.
Alexandra Widmer: Stark und alleinerzeihend
Rona Duwe: Blog – Phoenix-Frauen
Pia K.: Beitrag im heute-journal
Irmi Wette: “Pfoten weg! Macht Kinder stark“
Barbara Thieme: Blog zu Familienrechtsproblemen
VAMV NRW: Petition UV-Vorschuss, Netzwerk-Aktion
VAMV B-W: Fachtag zum Wechselmodell, Starkes Interview
VAMV Hessen: Ein sehr aktiver Ortsverband
Frauennotruf Ebersberg: Macht stark gegen Gewalt
Die Störenfriedas: Blog
Mütterinitiative: Blog, FB-Gruppe
Mütterlobby: FB-Gruppe
Kindeswohl*aktiv-MKR: FB-GruppeJochen König: Blog, Bücher: “Fritzi und ich”, “Mama, Papa, Kind”
Mama motzt: Blog
Das sind nur einige wenige. Kennt ihr noch jemand, der unbedingt hier stehen sollte? Bitte schreibt mir.
Eure Carola Fuchs
Wie schön Sie doch schreiben können und dabei nebenher so erwähnen das die Medien etwas verschweigen.
Sie haben recht! Aber Sie verschweigen doch auch etwas!
Warum erwähnen Sie nicht das mehr Männer Opfer häuslicher Gewalt sind als Frauen?
Warum erwähnen Sie nicht das es meist Frauen sind die ihren Kindern gegenüber gewalttätig sind?
Wenn das Kindeswohl gefährdet ist, gibt es auch keinen oder begleiteten Umgang.
Diplomatische Immunität trifft es wahrlich, gibt es Probleme werden die neuerdings immer ganz linear bei der Mutter verortet, denn dass ein Kind vielleicht berechtigte Gründe hat, keinen Umgang zu wollen, das gibt es nicht. Mir ist noch nie so viel blinder Glaube und ideologischer Gehorsam begegnet wie im Familienrecht, es geht nicht um Ursache und Wirkung es geht quasi um eine Heilslehre.
Alter Wein in neuen Schläuchen! Diesmal (wie früher ja auch schon) geht es angeblich NUR um das Kindeswohl. Real sieht es jedoch so aus: Den Müttern die Pflichten, den Vätern die Rechte. Ja, Zahlvaterschaft ist auch nicht lustig. Stimmt! Aber alleinerzeigend und allen Ämtern und Gerichten und ihren Vorurteilen ausgesetzt zu sein, auch nicht. Ganz abgesehen von den 1000 BesserwisserInnen, die ja alles besser können und besser wissen. Schrecklich.
Man sehnt sich auf eine einsame Insel, wo Mutterschaft noch nicht durch 1000 Instanzen und Experten (meist männlich) definiert und abgestraft wird.
Es ist immer noch so, dass den (männlichen) Richtern das wichtigste ist, dass Kontakt zu Eltern besteht. Egal ob der Vater schlägt oder die Mutter psychische oder Drogen-Probleme hat. Es ist also nicht nur ein Papa-Problem, sondern allgemein ein Problem, dass man der Meinung ist, dass Kontakt zu den leiblichen Eltern das wichitgste ist und das ist die Krux.
Ansonsten kenne ich leider alle Arten von Storys aus erweiterten Bekanntenkreisen. Väter, die das Sorgerecht bekamen, weil das manipulierte Kind das wollte und das Umgangsrecht zur Mutter unterwanderten (das rächte sich aber als das Kind älter wurde und begriff was passierte…). Mütter die per Anwalt vorgeben wann der wirklich sorgende Vater das Kind sehen darf. Psychoväter, die trotzdem ihr Kind sehen dürfe… Es gibt die volle Palette. Böse Mutter, guter Vater, gute Mutter, böser Vater.
Weg von Pauschalurteilen – hin zur Einzelfallbetrachtung finde ich gut, bei 120 Fällen pro Jugenamtmitarbeiter aber LEIDER eine Utopie.
Absolut, die Jugendämter sind überlastet, das höre ich immer wieder von Mitarbeitern. Für die Härtefälle fehlt ihnen die Zeit und auch das Wissen. Hochstrittigkeit ist oft ein Zeichen dafür, dass mindestens einer von beiden eine sehr schwierige Persönlichkeit hat. Sehr oft ist genau in diesen Fällen auch Gewalt im Spiel.
Für solche Fälle bräuchte es intensiv ausgebildete Jugendamtsmitarbeiter UND Richter!
Die geschlechtsspezifische Entscheidung von Richtern kann ich nicht bestätigen. Viele Frauen schreiben mir auch, dass sie sich von Richterinnen sehr ungerecht behandelt fühlten.
Hochstrittigkeit!
Genau das sagte neulich auch eine Psychologin, wenn ein Fall hochstrittig ist, muss man sich fragen, ob einer der Beteiligten nicht eine “Störung” hat.
Ich wünschte, genau diese Erkenntnis wäre bei Jugendamtsmitarbeitern und Richtern verbreiteter!
Das würde viel Leid ersparen.
Zitat: “Am 21. März 2017 liest sie [Christine Finke] in Berlin aus ihrem Buch und hält anschließend einen Plausch mit Manuela Schwesig.”
Ich hoffe doch sehr, daß eine öffentliche Diskussion mit Frau Schwesig vorgesehen ist und zahlreiche Gespräche mit Plausch-Charakter im Umfeld der Lesung, aber nicht-öffentlich stattfinden.
Ich war gestern beim Anwalt. Meine Chancen auf ein alleiniges Sorgerecht stehen schlecht, obwohl die Ansichten über Erziehung und Kinder gegensätzlicher nicht sein könnte. Obwohl ich mich vom Vater getrennt hatte, weil ich so einen Umgang für mich (psychische Gewalt) nicht mehr wollte und auch kein solches Vorbild für mein Kind sein wollte, stelle ich (noch) den Umgang zum Vater nicht in Frage. Und ich frage mich ernsthaft, wieso? Ich will nichts mehr mit einem so manipulativen, hinterhältigen, für meine Gesundheit schlechten Einfluss zu tun haben. Was für eine Mutter bin ich, dass ich mein Kind dem aussetze? Was ist das für eine Gesellschaft, die findet: ja, immerhin besteht ein wenig Kontakt, das ist wichtig für das Kind. WTF?
Ich wünsche mir Männer im Leben meines Kindes. Positive Vorbilder. Männer die sich kümmern, Männer die zuverlässig sind. Männer die ehrlich sind und nicht das Kind manipulieren. Männer die zu ihren Fehlern stehen können. Männer die bedingungslos lieben können. Und es ist mir scheissegal, ob solche Männer mit meinem Kind verwandt sind oder nicht.
Falls es solche Männer geben sollte, sind mir in meinem Leben nicht begegnet..
Du sprichst mir aus dem Herzen! Ich habe auch in mir selbst viele Konflikte, diesen Perfektionismus das Kind zu schützen und trotzdem der Welt auszusetzen. Die Vater-Sohn-Beziehung zu ermöglichen und meinem Kind zu vertrauen dass es trotz des gestörten Verhaltens seines Vater, den er sehr liebt, einen gesunden Weg gehen wird. Dass er bei mir den sicheren Hort und Rückzug finden kann den er braucht um aufzutanken.
Ich frage mich schon manchmal: warum bin ich in dieser Stadt geblieben? Warum ist mir nach all der Gewalt VOR unserem Kind noch wichtig dass sie einander regelmäßig sehen können? Ein Grund mag in der gesellschaftlichen Ideologie liegen die uns prägt. Aber denke bei mir sitzt es tiefer: so war mein Vater schwierig und cholerisch aber was mir am meisten weh tat waren sein Desinteresse und seine Abwesenheit. Ich möchte nicht verantwortlich dafür sein wenn mein Sohn das auch erfahren muss.
Wir leben in einer großen WG, der Vermieter ist Teil der Gemeinschaft, Renter und Vater von 4 Kindern. Er ist genau so ein Vorbild wie du es beschreibst. Er geht wertschätzend mit mir um und mein Sohn lernt auch dies kennen. Irgendwann werde ich einen neuen Partner haben bei dessen Wahl ich darauf achte dass keine schädlichen Muster mitmoderieren.
Ich wünsche uns alles gute und dass es uns und unseren Kindern gelingt das Beste daraus zu machen!