Moderne Trümmerfrauen
Von meinem Besuch im „Wilden Osten“ habe ich ganz besondere Eindrücke mitgenommen.
Angefangen hat es mit einem wunderbaren Publikum bei der Lesung in der Bibliothek Prohlis in Dresden. Im Nu waren alle Stühle besetzt und es herrschte vom ersten Augenblick an eine vertraute Atmosphäre, in der sich zwischen den Szenen und im Anschluss ein intensiver Austausch ergab.
Und wieder einmal zeigte sich, wie sich die Geschichten ähneln und wie wichtig es ist, dass wir uns für unsere Kinder stark machen.
Im Laufe der nächsten Tage machte ich Bekanntschaft mit dem bestechenden Humor der ostdeutschen Landesvettern „Na, kommste dein‘ Soli besuchen?“ und der großen Gastfreundschaft. Der Grill wurde angeschmissen und am helllichten Tag wurden Touristen-Führungen gemacht, als gäbe es nichts Wichtigeres. Selbst die Gendarmen zeigten sich von ihrer besten Seite, denn während in Bayern die Politessen schon hinter den Büschen lauern und man für 5 Minuten Parken in der Innenstadt einen halben Tageslohn locker machen muss, drückt man in den östlichen Metropolen schon mal ein Auge zu und lässt einen in Ruhe die Stadt anschauen.
Bei der Gelegenheit stieg ich in einen der vielen Sightseeing-Doppeldecker und ließ mich per Tonband durch Dresdens Geschichte führen. Doch gegen Ende der Rundfahrt machte der Busfahrer vor dem Denkmal der Trümmerfrau halt und meldete sich persönlich mit charmantem Dialekt zu Wort: „Und hier, liebe Gäste, müssen wir kurz innehalten. Alles, was Sie gerade bewundern konnten, haben wir der harten Arbeit vieler Frauen zu verdanken. Mit ihren Maurerhämmern haben sie ein Gebiet von 15 Quadratkilometern, das dem Erdboden gleich war, von den Trümmern befreit, und so den Wiederaufbau ermöglicht.
Und ich spreche aus eigener Erfahrung, wenn ich behaupte, dass auch die Frauen heute noch den Löwenanteil der täglichen Arbeit leisten. Ich bin seit 42 Jahren verheiratet – das Standesamt in der Goethestraße zeige ich Ihnen später noch, es ist übrigens das Schönste Standesamt weit und breit – und habe zwei Enkelkinder. Ich weiß also, wovon ich rede!“
Mit diesen Worten im Ohr habe ich die Rückfahrt nach Bayern angetreten, und sie hallten immer wieder nach, weil sie mich an einer wunden Stelle berührten.
Wir Mütter leisten sehr viel und der Busfahrer ist bei weitem nicht der einzige Mann, der dies sieht und schätzt – zumindest solange die Beziehung in Ordnung ist.
Und wenn die Beziehung kaputt ist, dann sind wir die modernen Trümmerfrauen. Tapfer und unermüdlich klopfen wir uns die Bruchstücke zurecht, um den Kindern und uns wieder eine Lebensgrundlage zu schaffen.
Vielleicht steht das Denkmal der Trümmerfrau am falschen Platz und es sollte vor dem Familiengericht seine Wurzeln schlagen.
Carola Fuchs
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