Voll im Trend – Prospekte beim Frühstück
Was wäre die Menschheit ohne die Mode? Wahrscheinlich ziemlich fad.
Und besonders im Nachhinein, zum Beispiel beim Betrachten von Fotos aus den 80ern, mit Vokuhila und Minipli, ist sie ein Quell der Erheiterung.
Das ein oder andere Foto aus dieser Zeit wurde bestimmt schon vernichtet.
In den letzten Jahren ist ein ganz besonderer Trend zu beobachten: Die Reduzierung der Körperbehaarung. Frauen begannen als Vorreiterinnen, sich Beine und Achseln zu rasieren, und bald kam auch die Bikinizone unter den Wachsstreifen, weil hervorlugende Kringel gar nicht mehr gingen.
Zunächst hielten sich die Männer mit der täglichen Bartrasur anscheinend ausreichend beschäftigt und dachten nicht einmal daran, sich darüber hinaus zu enthaaren.
Aber das war einmal!
Ein Saunabesuch enthüllt die schonungslose Wahrheit: Als sei es ganz selbstverständlich, rasieren Männer sich neuerdings die Achseln und auch das Brusthaar muss weichen. Selbst der Intimbereich wird nicht verschont, so dass des Mannes Allerheiligstes kahl vor sich hin baumelt.
Weil aber ein Männerkörper ohne Haare anscheinend doch zu unmännlich ist, geht die sukzessive Körperenthaarung mit einem schier unbeherrschbaren Wildwuchs im Gesicht einher.
Heute Morgen beim Frühstück flog mir ein Discounter-Prospekt aus der Zeitung entgegen und damit das Bild eines total trendigen Männermodels. Sehr schön ist dort zu sehen, dass die Kombination des Gestrüpps mit einer Nerdbrille zwingend ist, so dass alle auf den ersten Blick – ich finde ja sogar auch auf den zweiten – gleich aussehen. Ob da nicht die ein oder andere Frau nach dem Kino versehentlich mal den falschen Mann mit nach Hause bringt?
Tja, nicht nur wegen dieser Verwechslungsgefahr trauere ich einer behaarten Männerbrust à la Jean Connery nach und denke, dass man in einigen Jahren drüber schmunzeln wird.
Dann blättere ich um … und verschlucke mich fast an meiner Butterbreze. Auf der Folgeseite setzen die Marketing-Menschen in Sachen Wir-sind-voll-im Trend noch eins drauf: „Mit Papa spiele ich am liebsten“ heißt es da. Ein – natürlich bart-strubbeliger – Papa malt mit seiner Tochter ein Bild aus.
‚Gerne‘? Ja.
Ganz bestimmt auch oft ‚sehr gerne‘.
Aber ‚am liebsten‘? Was für ein Quatsch!
Am liebsten spielen Kinder immer noch mit anderen Kindern, zumindest diejenigen, die ich kenne – meine Tochter inbegriffen.
Was mich an diesem Trend stört, sind die Superlative und der daraus resultierende Wettbewerb. Diese Denkweise mag im Geschäftsleben funktionieren, aber im Familienleben ist sie meiner Ansicht nach kontraproduktiv.
Hier zählt einzig und allein Kooperation!
Jeder macht das, was er kann oder was gerade getan werden muss und ist damit ein wichtiger Bestandteil des Familiengefüges. In diesem Sinne wäre die Aufweichung der Geschlechtsstereotypen in unserer Gesellschaft ein echter Gewinn: Frauen können trotz Familie Karriere machen und Männer bringen sich nicht nur als Ernährer, sondern auch als interaktives Mitglied in die Familie ein.
Das Platzhirschgehabe, dass Väter plötzlich zu den besten Spielgefährten und den besseren Müttern avancieren, halte ich dagegen für einen Trend, der sich im Nachhinein als Verirrung erweisen wird.
Vielleicht kommt es sogar so weit, dass sich diejenigen, die ihm voller Überzeugung gefolgt sind, sogar ein bisschen dafür schämen, dass ihnen die Absurdität nicht schon früher aufgefallen ist.
+++ neu dazu gekommen +++ neu dazu gekommen +++
Derzeit ist allerdings – zumindest beim Spiegel – noch keine Erkenntnis in Sicht. Er titelt diese Woche doch tatsächlich: Sind Väter die besseren Mütter?, und schämt sich kein bisschen!
Jochen König hat sich diesen Artikel zu Gemüte geführt. Ich habe mich königlich über seine scharfsinnige Analyse “Der Spiegel und die Väter” amüsiert.
Und Das Nuf Advanced setzt noch einen drauf. Herrlich!
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